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Vor kurzem erzählte uns Christoph Katzensteiner, ELL (European Locomotive Leasing), Spannendes über sein Unternehmen, das wegweisende Joint Venture zwischen ÖBB TS (ÖBB Technische Services), LTE und ELL, die Corona-Krise, seine optimistischen Visionen die Bahn betreffend und natürlich auch über seine ihn mit Andreas Mandl verbindende Kooperation.
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LTE/Wolfgang Rauscher (LTE): Weil es uns ja alle bewegt als erste Frage: Wie hat die ELL Corona erlebt?
ELL/Christoph Katzensteiner (CK): Nun, was soll ich sagen, der Personenverkehr war komplett stillgelegt, im Güterverkehr betrug der Rückgang 30-40%.
LTE: Wie viele Lokomotiven finanzieren Sie gegenwärtig?
CK: Wir kaufen die Lokomotiven und vermieten sie inklusive einem Servicepaket. Wir haben zwei Standorte, einen in Wien und einen in München. Von da aus werden die Loks betreut und instandgehalten, wenn nötig, auch repariert. Wir haben jetzt 152 Siemens Vectrons, die fahren von Schweden bis Kroatien, von den Niederlanden bis nach Rumänien, also vom Atlantik bis ans Schwarze Meer, wenn man den West-Ost-Korridor nennen will und von der Nord- bzw. Ostsee bis ans Mittelmeer. Durch die Mehrsystemlokomotiven ist die ELL gemeinsam mit seinen partnerschaftlich verbundenen Unternehmen sozusagen in ganz Zentral- und Osteuropa präsent.
Dazu gehören aber auch die umfangreichen Wartungsarbeiten, die wir für unsere Partner ebenso wie beschwerliche Behördenwege erledigen. Daher kooperieren wir mit Werkstätten, verfügen über die nötigen Ersatzteile, führen Upgrades durch, lösen Zulassungsprobleme … kurz: Alles, was anfällt, erledigen wir. Damit sollten sich unsere Kunden 100%ig auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, nämlich Transporte durchzuführen.
LTE: Was kommt zu den 152 Loks im Jahresdurchschnitt dazu?
CK: Das kommt darauf an. Wir können große Stückzahlen bewegen, aber wenn der Markt wie zurzeit nicht da ist, werden wir auch nichts kaufen. 2020 halten wir daher den Ball eher flach.
LTE: Trotzdem gibt es ein Projekt, ein Joint Venture mit ÖBB-TS und LTE, um Andreas Mandl´s langjährige Vision des „Lokschuppens“ in Gramatneusiedl Realität werden zu lassen. Was hat Sie dazu bewogen, mitzumachen?
CK: Stimmt, für ihn ist es geradezu ein Jahrzehnteprojekt. Daher sind wir sehr froh, dass sich Andreas das vorgenommen hat und durchzieht. Denn es gibt eindeutig zu wenig moderne Lokwerkstätten in Mitteleuropa, die auch dazu geeignet sind, die Siemens Vectrons zu servicieren. Auch der Standort ist ideal gewählt: Wir haben ja als Schwerpunkt den Donaukorridor von den Niederlanden bis ans Schwarze Meer, den wir – wie bereits erwähnt – auch mit dem „Flying Dutchman“, einem gemeinsamen Lok-Design von ELL und LTE, zum Ausdruck bringen. Und östlich von Wien wird es halt noch dünn.
LTE: Gramatneusiedl hat, abgesehen vom originellen Namen, tatsächlich den Vorteil, an der Schnittstelle zwischen West und Ost, Nord und Süd zu liegen.
CK: Wir haben ja diese Mehrsystemloks, d.h. sie dürfen alle diese Länder befahren. Und ein Großteil dieser Loks fährt diese Korridore tatsächlich. Für uns ist es wichtig, und da kommt die ÖBB TS ins Spiel, dass wir einen Partner haben, der auch weiß, wie es geht: Denn sie ist eine der größten Werkstattbetreiberinnen in Europa, das sind hervorragende Kollegen. Daher hat sich schließlich der Joint Venture so erfolgversprechend ergeben: Auf der einen Seite der Betreiber, die LTE-group mit eigenem respektablem Fuhrpark und eigenen Verkehren. Zweitens kommen die ÖBB TS als hochwertiger spezialisierter Instandhaltungspartner dazu, und mit uns, der ELL, haben wir den dritten im Bunde, der eine große Flotte mit hochmodernen Lokomotiven hat, der anfangs auch das Grundvolumen zur Verfügung stellen kann, um die Werkstätten optimal zu befüllen.
LTE: Und diese stehen allen offen?
CK: Ja klar. Die sind auch für Dritte da. Werkstätten sind dazu da, um Geld zu verdienen und jeder, der uns braucht, ist selbstverständlich willkommen. ELL garantiert einen guten Start, legt aber auch auf die Ausbildung großen Wert, denn wir haben auch eine eigene Academy für Kollegen und Mitarbeiter.
LTE: Ich kann mich erinnern, dass Sie vor vor zwei Jahren, als wir über dieses Thema gesprochen hatten, es die Ausbildung zum Lokführer war, um die sich die ELL gekümmert hatte.
CK: Lokführer ist ein sehr technischer, anspruchsvoller Beruf. Viele schätzen ihn mittlerweile, weil man als Techniker auf einer Lokomotive quasi aus dem Vollen schöpfen kann, ein Grund übrigens, dass wir auch mit der TU Wien zusammenarbeiten.
Darum gehört die Werkstatt, fast möchte ich sagen, als Forschungszentrum auch dazu. Und wir nehmen hier in Europa durchaus eine Führungsposition ein.
LTE: Das alles firmiert dann unter dem Namen ETL, ein Buchstabenspiel kreiert von Andreas Mandl, der mit Ihnen beiden als Partner sozusagen die Eisenbahnwelt auf den Kopf stellt?
CK: (lächelt) Kann sein. Die Eisenbahnbranche ist ja eine ganz eigentümliche Branche. Wenn man sich einmal mit ihr angefreundet hat, dann bleibt man dabei. Ich war ja früher bei Railpool in München, einem Unternehmen, das ich mitaufbauen durfte, und bei der Gelegenheit habe ich Andreas kennengelernt. Da haben wir als Österreicher in München eine österreichische Connection gepflegt. Dann habe ich mein eigenes Geschäft, die ELL, aufgezogen. In dieser Zeit hat mir Andreas Mut gemacht und war eine wesentliche Stütze in einer Phase, die neben vielen Erfolgen auch von Tiefschlägen nicht verschont wurde. Da war er für mich ein wichtiger Anker, um letztendlich meine Ziele erreichen zu können. Daher bin ich überzeugt, dass auch diese neue Partnerschaft von Erfolg gekrönt sein wird.
LTE: Apropos Welt auf den Kopf stellen: Wie sehen Sie die Zukunft der Eisenbahn ganz generell?
CK: Die Eisenbahn ist die Zukunft, daran führt à la longue kein Weg vorbei, da denke ich allerdings vor allem an unsere Kinder, an die nächste Generation. Was wir schon heute und in naher Zukunft dazu beitragen können: Strategisch müssen wir die Bahn stärken. Dazu brauchen wir auch noch besseres Equipment.
LTE: Das klingt nach der ewigen Diskussion zwischen Luftfahrt und Bahn, zwischen Schiene und Straße.
CK: Genau. Vor dreißig Jahren war die Situation natürlich ein Drama, aber heute sind wir weitgehend dort, wo und wie man sich die Bahn vorstellt, im Personenverkehr wie im Gütertransport. Und man kann vor allem in diesen Tagen erkennen, dass die Airlines massiv geschwächt sind, was bedeutet, dass es, schon rein umwelttechnisch betrachtet, zur Schiene keine Alternative geben wird. Das betrifft übrigens auch die Problematik der Straße. Hier gilt ebenfalls, dass wir unsere Stimmen stärken und den Green Deals nicht nur Gehör verschaffen, sondern auch eine realistische Chance zu deren Verwirklichung geben müssen.
LTE: Welche Schritte wurden in der näheren Vergangenheit gesetzt, um schließlich auch die Zukunft zu meistern?
CK: Da hat sich schon einiges in unserem Bewusstsein geändert. Sehr deutlich habe ich das bemerkt, als ich feststellen durfte, dass es auf einmal wieder Nachtzüge zwischen den europäischen Städten gibt, die ja beinahe enthusiastisch angenommen werden.
Ein anderer meiner Favourites ist der Süden Europas: Mit der Bahn kann man viele Destinationen bequem erreichen. Und seien wir ehrlich, würden Sie nach Graz, Linz, oder von mir aus nach Zagreb mit dem Flugzeug anreisen? Gut, einiges muss noch verbessert werden, aber sowohl die ÖBB als auch private EVUs bieten mittlerweile auf ihren Stecken das Feinste vom Feinen an. Und ich merke, das Bewusstsein ändert sich laufend. War früher Bahnfahren mit dem ranzigen Beigeschmack des „sich-nicht-mit-dem-Auto-anreisen-leisten-Könnens“ behaftet, wäre man heute schön dumm, nicht mit der Bahn etwa nach St. Anton am Arlberg zu reisen, wo man nach einer bequemen, komfortablen Fahrt vom Hotelchauffeur abgeholt wird, womit übrigens auch die Frage der last Mile geklärt wäre …
LTE: Und wie sehen die Hotelchauffeure im Güterverkehr aus?
CK: Nun, die Frage der last Mile stellt sich natürlich. Da wird es notwendig sein, mehr und bessere Terminals und Verladestationen zu errichten, damit die Wege auf der Straße möglichst minimiert werden. Das bedeutet nichts Anderes als internationale Transporte auf die Schiene zu verlagern, bessere Verladestationen zu errichten, damit die dann nur mehr notwendigen Binnentransporte den LKWs überlassen bleiben, die, nebenbei bemerkt, auch durchaus umweltfreundlicheren E-LKWs anvertraut werden können. Abgesehen davon, dass es die Lenker und Lenkerinnen dieser LKWs freuen wird, am Abend wieder zu Hause im eigenen Bett zu übernachten anstatt in der Führerkabine auf einer Autobahnstation.
LTE: Dann überlassen wir die Langstrecken also besser den wirklichen „Kings oft he Road“ …
CK: … denen Andreas und ich auch eigene Identitäten gewidmet haben. Wie eingangs erwähnt, haben wir dem West-Ost-Korridor eine kooperativ gestaltete Lokomotive dem Fliegenden Holländer, „The Flying Dutchman“ gewidmet. Über die Alpen fährt analog dazu „Hannibal“, von Norden, nach Süden zieht „The Divine Neptune“ seine Güter ans Mittelmeer und schließlich widmen wir „The Enchanting Loreley“ den Korridor, wenn sie den Rhein entlangfährt.
LTE: Vielen Dank für das Gespräch.
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